Erster Hof meiner Reise

Der erste Hof meiner Reise war Dein Hof bei Radebeul/Dresden. Unsere Höfe verbindet bereits eine längere Bekanntschaft, da sie etwa zwei Jahre später als die Rote Beete mit der Bewirtschaftung begannen und wir durch gemeinsame Rechtsberatungstreffen in Leipzig, Hofbesuche und das Treffen unserer Solawis in der vier mal im Jahr auf einem der Höfe stattfindenden Regionalgruppe Sachsen-Thüringen, anfingen uns auszutauschen. Ich bin dort vom 11.-16.5. gewesen.

Inhalt dieses Eintrags:

1. Objektive Daten

2. Eigene Beobachtungen

1. Objektive Daten

# Fläche – Dein Hof bewirtschaftet als GbR mittlerweile etwa 3,7 ha Pachtland, wobei 2 ha gerade neu dazugekommen sind und umgebrochen wurden.

# Gärtner_Innenteam – Es arbeiten drei Gärtner_Innen, eine Azubi, und ein Bundesfreiwilligendienstleistender.

# Die Arbeitszeit der Gärtner_Innen liegt bei 30 Stunden + Mitmachtage die gegen Mindestlohn bezahlt werden. Dazu kommen noch die Kosten für das Ausfahren, dass ein Mitglied bezahlt bekommt.

# Finanziert wird alles durch vier Vollzeitstellen gegen Mindestlohn, die im Jahresetat der Kooperative veranschlagt sind. In einer Bietrunde legt jedes Mitglied seinen finanziellen Beitrag frei fest.

# Versorgt werden mit 140 Portionen über 250 Menschen.

# Besteht seit 2014.

# Organisation: Entscheidungen in der Kooperative, die über das Alltagsgeschäft der Gärtner_Innen hinaus gehen werden auf einem Plenum getroffen, dass von einer Kerngruppe aus Mitgliedern und Gärtner_Innen organisiert wird.

# Maschinisierung: ein Schlepper (kein Geräteträger) für die Bodenvorbereitungsarbeiten.

# Bewässerung: Pumpe, die permanent installierte Sprühregner mit etwa einem 4m Radius auf 200m Länge versorgen kann. Über Tage programmierbare Steuerung.

# Lagerung: in einem recht kühlen Raum des eingeschossigen Hofgebäudes. Karotten z.B. bis Mai dort lagerbar.

# Boden: Extrem sandiger Elbtalboden

2. Eigene Beobachtungen

Dieser Teil entspricht meiner Sicht auf das Projekt und muss sich nicht unbedingt mit der der Beteiligten decken.

# Die Entlohnung ist eher am Mindestlohn orientiert als einem Lohn der sich einem gesellschaftlichen Durchschnitt annähert, aber die Gärtner_innen können sich (jedenfalls mittlerweile?!)  tatsächlich an sich selbst gegebene Arbeitszeiten halten.

# Die Arbeitszeiten sind relativ fest gelegt und können durch die hohe Besetzung wohl meist eingehalten werden (3 GärtnerInnen, 1Bufdi, 1Azubi auf bisher 1,7 ha nun 2,7ha) Wochenenddienste nur bei Mitmachtagen. Die Pionierphase scheint abgeschlossen. Auch der die Übernahme des Ausfahrdienstes durch ein Mitglied entlastet die Gärtnernden.

# Es wird viel Wert auf eine Tagesstruktur gelegt in der es drei mal am Tag kurze Treffen vor einer Tafel gibt (oft nur 15 Minuten), wo getane Aufgaben abgehakt und nicht erledigte umgetragen werden. Vor allem das Treffen am Ende des Tages kann von seiner Wirkung her das Bedürfnis gegenseitiger Wertschätzung erfüllen. Dieses Potential wäre bedenkenswert, zudem ist durch ein derartiges Ritual auch ein gemeinsamer Feierabend zelebrierbar.

# Die Gegebenheiten der Hofstelle verstärken diese klare Trennung von Tageswerk und Feierabend. Es gibt dort eine Küche die Mittags gemeinsam genutzt wird, ein Werkzeuglager, eine Umkleide und einen Büroraum. Keine/r aus dem Gärtner_innenteam lebt dort.

# die „geringe“ Maschinisierung, kann durch die oben erwähnte hohe Arbeitskraftdichte (bisher ca. 2AK/ha), die extrem gute Anbindung zur Stadt Dresden durch 2 nahe gelegene Bahnhöfe und die relativ hohe Beteiligung der Mitglieder, und den leichter zu bearbeitenden Sandboden abgefangen werden.

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Arbeit mit dem Reihenzieher im lockeren schnell abtrocknenden Elbtalsandboden

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Der letzte Lauch Mitte Mai geerntet, nur vereinzelte Schosser bei denen der Blühreiz einsetzte. Links daneben ein einmalig mit dem Schlepper gegrubbertes Beet, dank des leichten Bodens ist kein weiterer bodenvorbereitender Arbeitsschritt notwendig.

# Eine ausreichende Varietät des Gemüsesortiments kann durch das überraschend kühle Lager (ohne Keller/ Kühlzelle) und die hohe Qualifikation der Gärtnernden auch Anfang Mai angeboten werden (Lagergemüse Anfang Mai: Pastinake, Steckrüben, Sellerie, Kartoffeln, Möhren. Hoffentlich nichts vergessen…)

# Teamdynamik: von der anfänglichen Besetzung sind noch immer zwei Gärtner_Innen dabei. Andere sind gekommen und gegangen. Zwischen den Gründungsgärter_innen gab/gibt es einen Konflikt. Ohne die persönlichen Elemente des Konflikts weiter einzubeziehen lassen sich doch zwei Konfliktfelder beschreiben, von denen ich hier die zwei Pole benenne zwischen denen sie sich aufspannen, denn sie dürften auch für andere Solawis interessant sein:

1.Der Blick auf die Sicherung des täglichen Betriebsablauf, sowie Wahrung juristischer Vorgaben und ökonomischer Sicherheit stehen dem Wunsch nach gärtnerischem und sozialpolitischem Experimentieren entgegen.

  • Beides sind ganz „natürliche“ Positionen die in einem Betrieb mit gesellschaftspolitischen Ambitionen besetzt sein müssen wenn er dauerhaft funktionieren soll. Ein reines Experiment kann schnell zu Grunde gehen (Beispiel: Extrem risikoreich lauter neue Methoden auf einmal einsetzen und eine mindest Gemüsemenge nicht zur erreichen, so dass zu viele Mitmacher abspringen, da sie doch nicht aus reinem Idealismus dabei sind, sondern auch weil sie Hunger haben. Oder Überarbeitung und Burnout der Gärtner_innen durch nicht abschätzbaren Arbeitsaufwand neuer Methoden) und ein auf Sicherheit aufbauender Betrieb gehört hingegen schnell zum Establishment, verliert seine Strahlkraft in die Gesellschaft und auch bald die Menschen, die ihm aus Interesse beitreten. Denn ein reiner „Versorgungsdienst nach Plan“ mag bald wenig befriedigen oder begeistern, auf Seiten der Gärtnernden und der Mitglieder. Es handelt sich also um einen nicht langfristig lösbaren Konflikt. Es muss darum gehen die Wichtigkeit des Erhalts der Positionen beider Seiten für den Weiterbestand der Organisation allen Teammitgliedern bewusst zu machen und ihre Vertreter eben als Verteidiger oder Rollenträger dieser Pole zu erkennen und Wert zu schätzen. Wenn diese Wertschätzung sich dann gegenseitig auch noch ausgesprochen wird, dann sollte dem gelegentlichen Aushandeln einer fruchtbaren Synthese aus beiden nichts mehr im Wege stehen.

2. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Überschauen und durchsprechen der Aufgaben stehen dem Autonomiegedanken gegenüber, welches sich beispielsweise in einer klaren Umreißung von Verantwortungsbereichen nach Kulturen äußert um in Ruhe vor sich hin zu arbeiten. Letzteres Modell scheint sich gerade gegenüber dem Modell durchzusetzen Verantwortlichkeiten nach kulturenübergreifenden Aufgabenbereichen aufzuteilen (z.B. Schädlinge, Düngung etc…).

  • Wenn ich es richtig verstanden habe verbindet die eine Seite die Hoffnung sich weniger Abstimmen zu müssen und freier Handeln zu können mit der Einführung der Kulturverantwortlichkeit. Dies könnte in einem in der Hauptsache auf Handarbeit ausgelegten Betrieb wie in diesem Falle schon eher funktionieren, als in einem wo z.B. die wöchentlich anfallenden Hackarbeiten mit dem Geräteträger ausgeführt werden und dann natürlich möglichst alle „fälligen“ Kulturen in einem Gang erledigt werden, oder wo die Bewässerung einer Kultur auch immer die der Nachbarkulturen bedeutet wegen der größeren Regner.  Eine Minimierung des Abstimmungsaufwands im Team ist ein nachvollziehbarer Wunsch.
  • Ich stelle mir an dieser Stelle allerdings die Frage welche Bedürfnisse oder Funktionen der Organisation tatsächlich hinter dem „gemeinsamen Überschauen“ und dem „Autonomiegedanken“ stecken. Es liegt auf der Hand, dass jede Organisation ein Gleichgewicht zwischen individueller Autonomie und einem Überblick über das Ganze finden muss. Eine höhere Arbeitsteilung durch autonome Kulturverantwortlichkeitsbereiche kann sicherlich die individuelle Autonomie im Alltagsgeschäft erhöhen, sie erfordert aber auch ein klare Verständigung über die gemeinsamen Ziele beim Anbau (z.B.: Ertragssichherheit oder Innovativität, geringer Arbeitskraftbedarf oder höherer Qualitätsanspruch). Diese Zielsetzungen haben nämlich letztlich Folgen, die die Organisation als Ganzes tragen muss und die Bereitschaft dazu kann eben nur gegeben sein, wenn es vorher eine Einigkeit über die (ggf. unterschiedlichen) Zielsetzungen gab. Das soll nicht heißen, dass jede Kulturführung das gleiche Ziel haben muss. Aber wenn der Eine beispielsweise gerne ein gewagtes, evtl. viel Arbeitskraft fressendes Experiment mit seiner Kultur machen will während andere sich damit beauftragt fühlen „die Kartoffeln im Keller zu haben“ geht das nur gut wenn es auch so vereinbart wurde. Was ich damit sagen will: Wenn es um eine Vermeidung von Kommunikation über konfliktreiche Themen geht, ist die Arbeitsteilung mittel- und langfristig auch kein Weg. Das unter 1. beschriebene Spannungsfeld lässt sich so jedenfalls nicht auflösen und die unterschiedlichen Rollen reiben sich latent weiter aneinander.
  • Meine Empfehlung: Weitere Schritte könnten sein sich mit den Ängsten und Bedürfnissen eines Mitglieds der Organisation und den strukturellen Notwendigkeiten dieses selbstverwalteten Betriebes, die hinter dem Verlangen nach einem gemeinsamen Überblick stecken können genauso auseinanderzusetzen, wie mit denen, die hinter dem Autonomiegedanken stecken. Die Rollen und Funktionen die die einzelnen einnehmen müssen erörtert und klar gemacht werden, dann kann zwischen ihnen vermittelt werden.

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Neu angelegte Agroforstfläche wenige km südlich von Riesa am Elberadweg bevor ich zu Dein Hof kam. Breite Hecken mit Bäumen trennen die Beete voneinander.

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Unterwegs zu meiner nächsten Station, dem Schellehof in Struppen: Ein Weingut am Elberadweg, wenige km südlich von Dresden.

Ein Kommentar zu „Erster Hof meiner Reise

  1. Bei der Darstellung in Punkt 1 sehe ich drei, nicht nur zwei Positionen. Du hast gärtnerisches und soziales Experimentieren zu einm Punkt zusammengefaßt. Das gilt nur für die Pflanzen. Bei den Menschen können da erhebliche Unterschiede sein.
    Triaden sind mir bekanntlich sowieso lieber.
    Zu 2
    Differenzierung und Integration sind beständige Aufgaben jeder einigermaßen komplexen Organisation. Sobald man Arbeitsteilung einführt, klärt man besser auch die Arbeitszusammenführung. Das ist aber kein bloß kommunikatives Problem sondern ein organisatorisches der Aufbau und Ablauforganisation. Die kommunikativen Probleme sind abgleitete, meist Spätfolgen.
    Das sind alles Probleme, mit denen sich die ungeliebte -nehmen wir mal an – Betriebswirtschaftslehre seit langem beschäftigt.

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