
KURZ VORWEG: Ich bin wieder heile in Deutschland angekommen gestern 😉
Barrinas ist ein Bundesstaat und liegt ein Stück südlich von Barquesimeto und seinem Bundesstaat Lara. Nach einem Treffen von Produzenten und den Märkten konnte ich mit einem LKW dorthin mitfahren. Die Kooperative hat in dessen Haupstadt Barrinas eine kleine Markthalle. Es wird also ein Teil der Produkte lokal vermarktet und ein weiterer bis nach Barquesimeto gebracht. Es ist also eine partielle Kooperation mit CECOCESOLA. Die zugehörigen Produktionsstätten sind auf zwei Orte aufgeteilt. Die Fincas tragen die Namen Abya Yala (unser Paradies) und Mama Pancha (Mutter Erde). Beide arbeiten ohne Chemie. Ich war zu Gast in Mama Pancha im beständig 35 Grad heißen Flachland. Teilweise Steppenhaft, aber mit ausreichend Grundwasser und einer einmonatigen Regenperiode im Juli.
Mama Pancha
Die Kooperative ist in den letzten Jahren sechs mal beraubt worden. Es wurden vitale Produktionsmittel geklaut: z.B. Teile des Traktors und eine Wasserpumpe. Diese stets bewaffneten Überfälle haben auch in der Nachbarschaft statt gefunden. Es wird also hier bei der armen Bevölkerung geraubt. Möglich, dass der schwere Zugang zu Saatgut und der plötzliche Wegfall der Option Gift aufgrund der hohen Preise seinen Teil dazu beigetragen hat.
In Mama Pancha lag der Fokus auf den 20 Kühen. Die gesamte Milch wird in Käse verwandelt. Aufgrund der gerade begonnenen Trockenzeit und der daraus resultierenden geringeren Milchmengen, werden täglich nur 1,5 kg Käse hergestellt. Davon sind schätzungsweise bis zu 500g Eigenbedarf. Das Melken, auf die Weide treiben und wieder rein holen kostet die zwei zuständigen „Jungs“ (19 und 21 Jahre) etwa 7 Stunden täglich. Dazu kommt nochmal etwa eine gute Stunde für den Käse. In der Stadt kostet 1kg Käse mehrere CECOCESOLA Tageslöhne. In Anbetracht der recht günstigen Transportkosten ist Käseproduktion also trotz des Aufwands ein lukratives Geschäft.
Zitrusfrüchte
Pampelmusen, Limonen, Zitronen, Mandarinen und Organgen bilden das zweite Standbein auf mehreren Hektar. Ab und zu werden die Kühe hier rein gelassen. Sie fressen nicht nur den Bodenbewuchs, sondern knabbern die unteren Äste der Zitrusbäume ab. Dies verjüngt die Bäume, da sie an den Verbissstellen neu austreiben. So werden die Bäume auch etwas gedüngt. Härteres Buschwerk muss allerdings mit der Machete entfernt werden.
Gemüse
Da hybrides Saatgut gekauft wird (anderes ist landesweit quasi nicht zu bekommen), gibt es nur importiertes Saatgut. Das muss in Dollar bezahlt werden und ist damit so teuer, dass es diese Saison kaum leistbar war. So gibt es nur Frühlingszwiebeln und Auberginen. Ich habe begonnen die Beete mit ausreichend vorhandenen Bambusblättern abzudecken. Es gab Bekundungen das auszuweiten. Mulchen lohnt sich bei derart trockenem Klima und der gnadenlosen Sonnenstrahlen umso mehr.
Zwischen 25 und 30 Grad liegt nämlich die kritische Grenze für die Mikroorganismen. Wird es heißer sterben sie ab. Auch das Wurzelwachstum der nicht tropischen Gemüsesorten wird dann verlangsamt, was wiederum zu einem Stoffwechselproblem in den Pflanzen führt. Die Blätter wachsen schneller, doch der von ihnen Produzierte Zucker kann von den Wurzeln nicht schnell genug assimiliert werden. Diesen Zuckerstau wittern die Schädlinge und der Befall wird wahrscheinlicher. Es gibt sicherlich unzählige andere Faktoren warum der Schädlingsdruck in den Tropen höher ist, die hohen Bodentemperaturen sind sicherlich einer der Beeinflussbar ist.
Düngungskonzept

Der Boden ist extrem sandig. Auf den Weiden wenige hundert Meter weiter reiner Ton.
Durch das aufbringen einer dicken Kuhmistschicht haben sie innerhalb kürzester Zeit einen lockeren nährstoffreichen Boden geschaffen. Allerdings ist diese Praxis eher fragwürdig. Der Kuhmist ist ohne Einstreu und muss auch deshalb nach dem direkten Ausbringen auf die Beete einen Monat lang ausgespühlt werden, da er viel zu agressiv ist. Natürlich wird dabei extrem viel Nitrat ins Grundwasser gespühlt. Auch wegen der Tiergesundheit habe ich ihnen empfohlen, auch wenn es mehr Arbeit ist, Einstreu zu verwenden und den Mist vor der Ausbringung mit weiterem Kohlenstoff zu verkompostieren. Auch die Einbringung von Ton in den Kompost wäre kein Problem, da dieser auf den Tierpfaden der Weiden schon in trockener Form vorhanden ist. Ansonsten stehen die Tiere auch wenn es recht windig ist in ihrem eigenen Amoniak. Auch dabei geht, mal abgesehen von den für die Ozonschicht schädlichen Gase, wertvoller Stickstoff verloren, anstatt ihn für die umsetzung von Kohlenstoff (z.B. Stroh) zu nutzen. Noch besser ist eigentlich Lignin, welches von Pflanzen in Eurpa etwa ab dem 30.Juni in junge Triebe eingelagert wird. Das kennt mensch als „Verholzung“. So kann noch mehr Stickstoff gebunden werden und vor allem bleibt der Humus länger stabil. Noch länger hält sich Pflanzenkohle, sie ist zwar selbst nicht Humus, da sie quasi unzersetzbar hart ist, stellt aber ein extrem wichtiges Speicherwerkzeug dar. Sie speichert Wasser, Nährstoffe und bildet für Mikroorganismen eine sichere Basis, in die sie sich zurück ziehen können. Wichtig ist allerdings das Aufladen der Kohle mit diesen Bestandteilen vor der Ausbringung, da sie ansonsten wie ein Schwamm wirkt. Schade, dass ich nicht auf Abya Yala war. Dort wurde unter anderem auch damit viel experimentiert und ein kleines fruchtbares grünes Paradies aus dem Boden gestampft.

Hier ist die Kochstelle zu sehen. Ich habe den Rost gegen einen umgedrehten Topf getauscht. In ihm sind etwa 20 Auberginen, die mit einem kleinen Feuerchen rings herum innerhalb von 30 Minuten durchgegart waren. Sie ließen sich nach dem Entfernen der Schale zu einem leckeren Auberginenmus verarbeiten. Vielleicht beginnen sie jetzt ihre Auberginen zu essen 😉
Bokashirezept von Abya Yala
Diese
wertvolle Bodenaktivator- und Düngerproduktion kann jeder zu Hause
machen!
Zutaten: 25l frische (!) Kuhfladen (Meine Annahme: weil
Mikrobiologische Flora des Kuhdarms noch aktiv), 4-5kg Asche,
Zuckerrohrmelasse (besser als Zucker weil Mineralienhaltig, dient als
Nahrungsmittel für die Mikroorganismen), 8l Molke, 30kg zerkleinerte
Leguminosen, Bananenstamm (weil extrem Kaliumhaltig)
Variationen: Das Rezept funktioniert auch ohne tierischen Dünger, und grundsätzlich gilt: je mehr Eiweiß wie Essensreste oder Leguminosen, desto mehr Stickstoff. Mensch kann auch das Gärbehältnis mit etwas essig desinfizieren und diesen gleich mit drin lassen, das begünstigt das umkippen des Prozesses in richtung Fermentation. Zuckerrübenmelasse funktioniert natürlich auch.
Die traditionelle Variante (japanisch) wird unter Luftabschluss in einem Gärbehältnis verschlossen. Am besten versieht man es mit einem Gährröhrchen. Ein alter Essigkanister z.B. aus einem Restaurant tuts aber auch. Dann muss allerdings das Deckelchen immer mal wieder ein klein bisschen aufgedreht werden um vorsichtig die überschüssigen Gase entweichen zu lassen. Der Bokashi ist fertig fermentiert, wenn er nicht mehr blubbert. Jetzt ist der Moment um noch Pflanzenkohle hinzuzufügen und diese aufzuladen und damit die Wirkungsdauer des Bokashis zu verlängern.
Die andere Variante laut Abya Yala ist unter zwei mal täglichem Rühren in einem offenen Gefäß möglich. Wobei ich nicht glaube, dass mensch damit zum gleichen Ergebnis kommt. Die Fermentations-/Milchsäurebakterien im traditionellen Bokashi sind nämlich extrem Sauerstoff empfindlich und sondern sogar Antioxidantien ab um sich zu schützen. Das Rühren dient wiederum ja gerade dazu Sauerstoff hineinzubringen. Ich würde daher die erste Variante bevorzugen. Sie ist zudem mit weniger Arbeitsaufwand verbunden, hat man einmal das Gefäß gebastelt.
Was wir in Europa natürlich beachten müssen, ist das die Mikroorganismen die wir da haben wollen ein Klima zwischen 20 und 25 Grad Celcius mögen und am liebsten mit möglichst wenig Schwankungen. Also heißer als 30 sollte es nicht werden. Es wird also ein isoliertes Gefäß und am besten ein Heizstab benötigt (wenn im Außenbereich). Wer das perfektionieren will kann sich da mal die Youtubevideos von „triaterra“ reinziehen. Man kann das auch ohne die gekauften Mikroorganismen machen. Evtl. noch ein bisschen lebendigen – also gut riechenden – Waldboden mit reinkippen…
Test: Wenns gut geht riechts angenehm, wenns schief läuft haben die Fäulnisbakterien gesiegt und es stinkt 😉 Es ist auch möglich den PH-Wert zu testen, dieser sollte dann idealerweise zwischen 2,7 und 3,2 liegen.
Anwendung: Am besten wenige cm entfernt von den Pflanzen in ein kleines Loch kippen. Bei Obstbäumen auch in einem Kreis mit 1,5-2m Durchmesser einbuddeln.

Der wichtiger Teile beraubte Traktor muss tatenlos herum stehen…
Chavez Tauschpaket
Am letzten Sonntag sind wir von Barrinas aus mit zwei Fahrzeugen und jeweils ca. 500kg Mais in 23 Säcken in die Berge aufgebrochen. In einem Bergdorf waren wir verabredet zum Tausch Mais gegen Kaffee. Theoretisch hätten wir in zwei Stunden dort sein können, allerdings hatten wir eine etwas längere Zwischenstation. In Venezuela hat Chavez aufgrund des Finanzwirtschaftskriegs gegen sein Land den Menschen eine alte venezolanische Tradition freigestellt und promoviert. Direkter Naturalientausch soll dazu dienen sich unter den Bewegungen der internationalen Finanzströme hinwegzuducken. Auch die Steuern wurden damit komplett erlassen, was natürlich lokale Tauschbeziehungen gegenüber überregionalem Handel fördert. Sprich: auch den Staat unabhängiger von Devisengeschäften macht. Es ist also auch kein Nullsummenspiel für den Staat selbst, auch wenn ihm scheinbar erstmal Mehrwert-, Gewinn- und in manchen Fällen sogar Körperschaftssteuer durch die Lappen geht. Wieder ein Gesetz, dass nationale Autarkie stärkt.
Exkurs staatliche Regulation
Nun hat es in den Letzten Jahren leider, teilweise durch geschrumpfte Kaufkraft, teilweise durch staatliche Steuerungsversuche bedingt, viele Händler oder Produktoren gegeben, die Lebensmittel z.B. nach Kolumbien oder Brasilien exportiert haben um höhere Gewinne einzufahren. Bei Lebensmitteln teilweise auch um überhaupt Gewinne einzufahren, wenn die Preise staatlich zu niedrig reguliert waren. [Siehe dazu auch den Abschnitt Übertragung aus dem vorangegangenen Blogeintrag Venezuela: 1984? Medien im Krieg und medialer Krieg in außenpolitischer Innenpolitik] Der Staat hat mit Ausfuhrverboten für Grundnahrungsmittel und einer Begrenzung innerstaatlicher Verkehrsmengen reagiert. Bei Mais (mit weitem Abstand wichtigstes Grundnahrungsmittel Venezuelas) liegt die Grenze bei 500kg pro Fahrzeug ;-)…..
In der Bevölkerung wird entweder auf raffgierige Produzenten und Händler, oder auf die Wirtschaftspolitik geschimpft.
Die Guardia Nacional Bolivariana
Bei einem Posten der Guardia Nacional Bolivariana (GNB: Nationalgarde, Aufgabenschwerpunkt Zoll und organisierte Kriminalität) wurden wir rausgewunken. Es herrschte offensichtlich Unklarheit darüber wie mit uns umzugehen ist. Die Menge lag evtl. knapp drüber. Mit zwei von ihnen hinten auf unserem Pickup fuhren wir zur Commandancia de Barrinitas. Dort mussten wir die Säcke abladen. Nach ein halbe Stunde warten mussten wir die Hälfte vor eines der Wandgemälde räumen auf der das Wappen der dritten Kompanie zu sehen war. Ein Gardist machte ein Foto davon.


Nach einer weiteren halbe Stunde durfte wir erstmal ohne den Mais abziehen. Einer von uns kannte aber einen Capitan, der zwei Jahre im selben Stützpunkt gedient hatte. Der rief wiederum den dortigen Capitan an und der schimpfte dann seinen rangniederen Sargente aus, was das denn solle mit der Konfiszierung dieser lächerlichen Menge. Wir bekamen einen Anruf aus der Commandancia und durften abziehen ohne Schmiergeld oder Konfiszierung.
Die Policia Nacional
Der Pickup der uns vorausgeeilt war kam zwanzig Minuten nach uns im Dorf an. Er wurde von einem Polizisten angehalten, der auch zunächst noch unschlüssig war was er tun sollte. Sein Vorgesetzter sendete ihm eine Nachricht auf sein Handy er solle selbst entscheiden was er tut. Triumphierend zeigte er dem Comapnero diese Nachricht. Nachdem der Companero sagte er habe aber kein Geld, entschied dieser sich zwei der zehn Säcke zu konfiszieren. Bei der nächsten Polizeikontrolle zeigte der Companero die von der Guardia Nacional angefertigten Papiere. Die Polizisten fragten: „Was hast du mit den beiden fehlenden Säcken gemacht?“. Er teilte ihnen mit, dass diese konfisziert worden waren. Daraufhin waren die beiden Polizisten wohl zunächst verdutzt und dann sauer auf ihren Kollegen, der es wohl etwas übertrieben hatte mit der Korruption.
Der Tausch
Schon auf der Fahrt durch das hochgelegene Dorf wurden wir mehrmals von den Leuten angesprochen für wieviel wir den Mais verkaufen. Ich saß mit einem Companero hinten auf der Ladefläche auf den Säcken. Inzwischen quälte uns der Hunger, da wir sehr früh und ohne Frühstück losgefahren waren. Mittlerweile war es fast Mittag und überall wurden Cambures (Bananen) verkauft, während unserer Lastwagenfahrer immer weiter fuhr. Der Tauschplatz war eine kleine Garage. Wir wurden von Kaffeebauern mit Cowboyhüten begrüßt. Wie so oft gab es erstmal einen süßen Kaffee. Mit zwei anderen setzte ich mich erstmal ab um etwas zu Essen zu besorgen. Das Kilo Bananen kostete 100 Bolivares, also zu dem Zeitpunkt etwa 4 Eurocent. Ich kaufte zwei Kilo und etwas Brot. In so abgelegenen Dörfern gibt es zwar Obst und manches Gemüse aber kaum Geld. Nach einem Bad in dem großen kalten Gebirgsbach saßen wir im Garten mit den Kaffeecowboys und tranken ihren Schnaps aus Zuckerrohrmelasse mit Ingwer. Sehr hochprozentig und würzig. Das Tauschen ging noch eine Weile weiter und dauerte insgesamt vielleicht drei Stunden. Immer wieder kamen einzelne kleine Produzenten mit kleineren Mengen Kaffee an. 45Kg Mais wurden gegen 6kg Kaffeebohnen getauscht. Die Bohnen sind geschält und getrocknet.

Der herrlich kühle Bergbach im Dorf der Kaffeebauern

Einmal sich wie ein „Narcotraficante“ fühlen gefällig? Das Geld für 7 Maissäcke, die wir kauften.
Ich glaube wir hatten auf dem Hinweg nach Barrinas etwas 7000 Bolivares Soberanos pro Sack bezahlt.
Weiterverarbeitung des Kaffees und Verkauf

Auf der Finca wurde der Kaffee in großen Pfannen über dem Feuer geröstet. Das dauert ungefähr eine halbe Stunde. Danach wurde der Kaffee drei mal mit einer motorbetriebenen Mühle gemahlen.
Dann wurde er von Hand gewogen, verpackt und zugeschweißt.
In der eigenen Markthalle wird der Kaffee dann auch für dortige Verhältnisse günstig zu 8000 Bolivares/kg verkauft. Macht ohne Arbeitskraft einen Gewinn von knapp 7000 Bolivares/Kg.
Oder 147.000 insgesamt für vielleicht ein Woche Arbeit für 3 Personen. Das wären 2,50€ pro Tag, bzw. ungefähr 1kg des selbst produzierten Kaffees. Liegt damit aber immer noch mehrfach über dem Lohn der CECOCESOLA ArbeiterInnen in Barquesimeto.
Arbeitsorganisation
Hat sich mir nicht vollständig erschlossen. Die Arbeiten auf der Finca waren zumindest reltiv genau verteilt und die Bezahlung durch die Kooperative wurde daran ausgerichtet. „Sondereinsätze“ wie das Bereinigen des Zitrushains werden extra vergütet.